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STONES, TOO, FEEL 

Ausstellungstext für den AICA Wettbewerb für junge Kunstkritik 2017

Die Ausstellung stones, too, feel in der Neuen Galerie der Tiroler Künstler*schaft kann auf vielen unterschiedlichen Ebenen gelesen und interpretiert werden. Es finden sich politische und historische Themen, sowie philosophische Ansätze in den einzelnen Arbeiten, die am Ende wieder ein großes Ganzes ergeben. Auch wenn auf den ersten Blick die enge Zusammengehörigkeit der einzelnen Werke nicht sofort erkennbar sein mag, nehmen sie bei genauerem Betrachten Bezug zueinander und schließen eine Klammer um die Anliegen, denen sich das Künstlerpaar Mona Vătămanu und Florin Tudor widmet. 

Namensgeber der Ausstellung ist die Installation stones, too, feel. Eine Eisenbahnschiene auf der sich einzelne Steine befinden, liegt auf einer grauen Stoffmatte. Unmittelbar daneben ist ein unaufgeregter Steinhaufen zu sehen. Die Installation erinnert an eine spielerische Geste, bei der Unbekannte einzelne Steine vom Haufen nehmen und auf den Schienen platzieren. Eine einfache Handlung mit symbolträchtiger Wirkung. 

Für die Videoinstallation im Eingangsbereich bedient sich das Künstlerpaar ähnlichen Aktionen. In Prăpădenia pământului II versuchen sie einen sogenannten Nicht-Ort zu heilen, in dem sie mit Brotteig beinahe schon rituelle Gesten vollziehen. Intention der beiden Künstler ist es offenbar zu versuchen den Ort bei seinem Heilungsprozess zu unterstützen. Schauplatz für diesen poetischen Akt ist eine stillgelegte Waffenfabrik in Bukarest, die, wie so viele andere architektonischen Zeitzeugen des Kommunismus, bald zeitgemäßeren und kapitalorientierteren Gebäudetypen weichen muss. 

Dasselbe Schicksal droht auch der Kulisse der Arbeit Gagarin´s Tree. Das Gagarin Jugendzentrum in Chişinău wartet auf seinen baldigen Abriss, da die Gentrifizierung auch nicht vor solch geschichtsträchtigen Architekturen Halt macht. 

Der Philosoph Ovidiu Tichindeleanu spricht vor dem Wandmosaik des Gagarin Centers über den Postkommunismus als liberale Kolonisation, die Faszination über den Weltraum in den 1960er und 70er Jahre, als auch über die Propaganda des Sozialismus. Dabei bezieht er sich auf aktuelle Ruinen der sozialistischen Moderne, deren Abriss auch das Ende verschiedenster Vergangenheiten symbolisiert und vielleicht auch die Erinnerung an diese. 

Die nächste Arbeit könnte genau solch einen Abriss und die damit verbundene Leere zeigen. Eine Gruppe von Personen steht mit dem Rücken dem Betrachter/der Betrachterin zugewandt vor einer tristen Landschaft und blickt auf den fernen Horizont. Schauplatz hierfür ist wieder die verlassene Waffenfabrik in Bukarest, die hier nun eine vollkommen andere Intervention durchlebt als in Prăpădenia pământului II. Durch das scheinbare Hinnehmen der Situation der Akteure und Akteurinnen macht sich ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit breit. Il Mondo Nuovo – die Neue Welt – ist nicht nur eine Neuinterpretation des Gemäldes von Giandomenico Tiepolo, sondern – so finde ich – viel mehr ein Appell an uns alle, um uns die Bedeutung und auch Schönheit solch angeblicher Nicht-Orte zu verdeutlichen. Denn was für Orte erwarten uns, wenn wir uns von allen architektonischen Zeugen der Vergangenheit trennen?

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